Bericht vom 6. lokalen Themenabend in Leipzig
Im Januar 2010 hatte AMAZONE erneut Landwirte und Lohnunternehmer zum traditionellen Themenabend in das Active Center Leipzig eingeladen. Rund 130 Praktiker folgten der Einladung, um sich über das Thema „Maßnahmen gegen Schädlinge wie Schnecken und Feldmäuse in reduzierten Bodenbearbeitungssystemen“ zu informieren. Hauptreferent des Abends war der renommierte Schädlingsexperte Prof. Dr. Gerhard Lauenstein von der Justus-Liebig-Universität in Giessen. Lesen Sie nachfolgend eine Zusammenfassung seines Vortrags (die Präsentation zum Vortrag finden Sie am Fuß dieses Textes als pdf-Datei).
Wer die Vorteile konservierender Bodenbearbeitung genießen möchte, der muß im Gegenzug auch bereit sein, einen „Preis zu zahlen“. Denn durch diese Form des Ackerbaus kommt es zu einem stärkeren Auftreten von Schnecken und Feldmäusen als bei den klassischen Verfahren.
Wichtige Details zum Thema Feldmäuse
Die Rahmenbedingungen, welche die Vermehrung von Feldmäusen begünstigen, sind vielfältig. Weil 30 % der Feldmauspopulation revierlose Wanderer und Siedler sind, ist eine regionale Bekämpfung nicht nachhaltig, sondern nur zur Schadensminimierung geeignet. Der Erstbefall mit Mäusen findet in der Regel in Bereichen mit Horst-bildenden Gräsern statt. Ihre „Home Range“ ist zwischen 300 und 1.000 m² groß. Wenn diese Areale aneinanderstoßen, verbreiten sich die Nager in eine noch nicht bewohnte Zone. Die größte gemessene Dichte liegt bei 5.000 Tieren/ha.
Obwohl Vorratslager und Höhlen unterirdisch liegen, haben Feldmäuse eine starke Bindung an die regelmäßig frequentierten, oberirdischen Wechsel. Sie pflegen eine aktive Anlage von Gängen und Höhlen in jederlei Boden. Sogar Deiche und feste Böden werden bewohnt. Offene Grasländer stellen primäre – bevorzugte – Biotope dar. Hecken- und baumreiche, aufgelockerte Strukturen hingegen bilden Sekundär-Biotope. Auch die klassische Ackerfläche stellt eher einen sekundären Lebensraum dar. Wird diese Fläche jedoch für die Mulchsaat genutzt oder gar als Brache sich selbst überlassen, wird sie zu einem Primärbiotop für die Feldmaus-Populationen.
Die Massenvermehrung der Nagetiere unterliegt einem dreijährigen Zyklus. Im ersten Jahr befindet sich die Population in der Depressionsphase (50 Tiere/ha). Es folgt das Jahr der Populationssteigerung auf etwa 300 bis 500 Feldmäusen/ha. Im dritten Jahr erreicht die Population ihren Zenit. So kann man z.B. in Thüringen davon ausgehen, dass die Mäusedichte in 2010 und 2011 steigt, da sie in 2009 relativ gering ausfiel.
Die Intensität der Schäden hängt nicht nur von der Dichte der Nager ab, sondern auch von der befallenen Kultur. Hinzu kommen Faktoren wie Befallszeitpunkt, Befallsdauer und -stärke. Im Jahr 2007/08 kam es z.B. in Süddeutschland und der Köln/Aachener Bucht zu Ertragseinbußen von 80 %. „Richtig gute Mäuseverhältnisse“ nehmen dem Getreidebau die Wirtschaftlichkeit. Auch Mais ist nicht sicher vor dem Befall. Die Mäuse fällen die Maispflanze „auf Biberart“, worauf ein selektiver Fraß folgt. Vor allem im Bioenergie-Sektor ruft der Befall starke Probleme hervor. Im Raps bewirken Feldmäuse eine Begünstigung für Pilzinfektionen und anderen Pflanzenkrankheiten durch Fraß an den Stengeln.
Bei der Auswahl von Bekämpfungs-Strategien muss man sehr sorgfältig vorgehen. Denn nicht nur die Fragen, wann und wo bekämpft werden soll, sind entscheidend, sondern vor allem das Wie. So sind kreisweite Mäusebekämpfungs-Aktionen verboten, vielmehr ist nur noch eine Randbehandlung von Kulturflächen erlaubt. Hinzu kommt, dass die Zunahme der reduzierten Bodenbearbeitung den Befall fördert. Außerdem ist die Zulassungs-Situation für die chemische Mäusebekämpfung katastrophal. So bleiben drei wesentliche Bekämpfungsmaßnahmen, die man unbedingt parallel anwenden sollte:
1. Das „Habitat-Management“, damit die Feldmäuse sich in diesem Lebensraum nicht mehr wohlfühlen,
2. die Förderung natürlicher Feinde,
3. und Rhodentizide.
Vorratskammern liegen in einer Tiefe von 10 bis 15 cm im Boden, Nesträume in der Regel zwischen 8 und 15 cm. Folglich wird jede Bodenbearbeitung auf mehr als 10 cm Tiefe zu einer Katastrophe für die Feldmäuse. Dies kann durch den Einsatz von Totalherbiziden gesteigert werden. Jede Nutzungsform hingegen, die den Feldmäusen ein mehrjähriges Bewohnen ermöglicht, bietet ein primäres Habitat. Hier kann man durch die Förderung natürlicher Feinde gute Erfolge erzielen. Je spezialisierter die Feinde, desto erfolgreicher sind sie. Es kommt irgendwann aber der Zeitpunkt, an dem die Leistung der Jäger geringer ist, als die Fruchtbarkeit der Schädlinge. Die Förderung von Parasiten (z. B. Bandwürmern) ist nicht geeignet, weil diese nicht spezifisch genug sind und den kompletten Stamm der Säuge- bzw. Wirbeltiere befallen, zu denen auch der Mensch gehört. Auch der Einsatz von Krankheitserregern ist verboten.
Für die direkte Bekämpfung von Feldmäusen bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten. Vorbeugend kann man auf freien Flächen die Zuwanderung mit Hilfe von Chemikalien begrenzen. Wenn die Mäuse bereits ihr Unwesen in den Flächen treiben, ist eine Behandlung der Nester möglich. Eine relativ zeitaufwendige Prophylaxe stellt die Pflugfurche mit ausgelegtem Ködern dar. Aber die Zuwanderer werden so beim Besiedeln der Fläche gezwungen, die Köder zu passieren. Dabei nimmt ein Großteil der Feldmäuse den Köder auf und geht ein.
Um den Feldmausbestand zu verringern, gibt es derzeit rund 17 zugelassene Rhodentizide, die im Wesentlichen auf zwei verschiedenen Wirkstoffen aufbauen: Dies ist zum einen Chlorphacinon, welches die Blutgerinnung der Nagetiere hemmt, zum anderen Zinkphosphit, das als Kontaktgift wirkt. Die Ausbringung mit dem Schleuderstreuer ist allerdings verboten, und die Ausbringung von entsprechend applizierten Köderstationen unpraktikabel, da zu aufwendig. Folglich gibt es nur die Möglichkeiten, das Gift mithilfe einer gezogenen Maschine in einen künstlichen Gang zu applizieren, oder es mit Legeflinten auszubringen.
Auch lange, kalte Wintermonate oder Schnee können die Feldmausbestände nicht drastisch reduzieren. Denn die Feldmäuse halten keinen Winterschlaf und können sich den Witterungsbedingungen entsprechend aktiv anpassen.
Fazit: Bei einer frühen Bekämpfung legen die Feldmäuse den Köder als Wintervorrat an und fressen ihn nicht sofort, weswegen man nicht unbedingt sofort Resultate wahrnehmen kann. Darüber hinaus besteht immer die Gefahr der Neuzuwanderung. Es sind nur zwei Wirkstoffe verfügbar, die allerdings nicht an der Oberfläche ausgebracht werden dürfen. Neue Wirkstoffe sind derzeit nicht in Sicht. Es bleiben zu einer Bekämpfung der Population also nur noch die Förderung der natürlichen Feinde und eine intensive Bodenbearbeitung. Die Maßnahmenintensität ist nach der Bestandsdichte der Mäuse zu wählen. Eine weitere effektive Maßnahme, welche in der Großflächenlandwirtschaft anwendbar ist, ist eine mehrfache sehr flache Bodenbearbeitung zwischen der Ernte und der Grundbodenbearbeitung. Dabei werden die Mäuse deutlich gestört und vor allem die Wasserversorgung über lebende Pflanzen verhindert. Für diesen Bearbeitungsgang sind Kurzscheibeneggen oder Striegel denkbar.
Wichtige Details zum Thema Schnecken
Beim Thema Schnecken geht es vorrangig um die genetzte Ackerschnecke und die Wegschnecke. Die ersten Schnecken schlüpfen im Januar aus den Larven sowie aus den Schneckeneiern des letzten Herbstes. Nach ca. sechs Wochen, d.h. im Februar/März, sind sie geschlechtsreif und legen im Zeitraum von April bis Juni erneut Eier ab. Die Jungtiere ernähren sich von organischer Substanz, die sich in der Zersetzung befindet. Im September/Oktober findet eine erneute Eiablage statt, die den Winter überdauert und deren Larven dann zu Jahresbeginn schlüpfen. Diese Zeitangaben sind ungefähre Richtwerte, da sie stark von Temperatur und Feuchtigkeit abhängen.
So ergeben sich zwei Vermehrungszeitpunkte und folglich zwei große Schadenswellen. Im Herbst geschieht das Leerfressen der Saatkörner: Keimling und Mehlkörper werden zerstört, so dass die Pflanzen nicht mehr wachsen können. Im Frühjahr findet der Fraß an bestehenden Jungpflanzen statt, was jedoch kompensiert werden kann.
Ziel aller Maßnahmen gegen Schnecken ist die Störung der Eiablage bzw. die Bekämpfung der Schnecken an der Oberfläche. Da Schnecken zu 80 % aus Wasser bestehen, Schneckeneier sogar zu 85 %, sterben sie ab, wenn ihnen mehr als 20 % des lebensnotwendigen Wassers entzogen wird. Deshalb verstecken sich Schnecken vor Sonnenstrahlen. Sie können sich allerdings nicht aktiv verstecken, sondern sind auf Rückzugsmöglichkeiten angewiesen. Deswegen fördert ein feuchter, lockerer Humusanteil den Schneckenbefall, weil er bessere Versteckmöglichkeiten bietet.
Die Schäden hängen von der Toleranz der Kulturpflanzen und dem Bodenzustand ab. Verdichtete Vorgewende bieten den Schnecken weniger Rückzugsmöglichkeiten als luftige Flächen. Theoretisch können Schnecken so tief in den Boden eindringen wie Risse vorhanden sind. Aufgrund der Nähe zur Nahrung wird der Bereich der unabgebauten organischen Substanz bevorzugt. Prinzipiell ist festzuhalten, dass ein durch maschinelle Bearbeitung verdichtetes Bodenprofil aufgrund der fehlenden Porenräume für Schnecken unattraktiv ist.
Zur Bekämpfung von Schnecken gibt es im Wesentlichen zwei Strategien. Dies sind zum einen ackerbauliche Möglichkeiten zur Schadensminderung, zum anderen der Einsatz von Molluskiziden. Beim ackerbaulichen Ansatz sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:
1. Verringerung der Hohlräume
2. Saatgut nicht zu flach ablegen
3. Beschleunigen von Keimung und Jugendentwicklung der Saat
4. Diagonalwalzen mit Profilwalze (oder Packer bei leichten Böden) nach der Saat
5. Tiefe Bodenbearbeitung hat einen Wirkungsgrad von 50 %
6. Frühe Saat wirkt sich kontraproduktiv aus
Molluskizide kann man am besten mit präzise arbeitenden Schleuderstreuern ausbringen. In einigen Regionen werden auch kleine Elektro-Streuer eingesetzt. Im Anschluss an eine Bedarfsermittlung liegt der optimale Zeitpunkt für die Herbstaussaat zwischen der Saat und dem Winterbeginn. Man sollte dabei allerdings das Wetter genau im Auge behalten, da sich die Schnecken bei Sonne nicht an der Oberfläche befinden. Zur Bekämpfung gibt es drei zugelassene Wirkstoffe: Eisen-III-Phosphat mit gutem Wirkungsgrad, Metalldehyd, welches zum Ausschleimen der Schnecken führt sowie Methiocarb, das aus einem Nervengift besteht.
Will man diese Wirkstoffe in Form von Schneckenkorn ausbringen, so sind Linsen zu empfehlen, da diese witterungsbeständiger als Pellets sind. Zu beachten ist auch, dass der Wirkungsgrad je nach Anwendungszeitpunkt unterschiedlich hoch ist:
• Vor der Saat (in England verbreitet): ca. 21 %
• Nach der Saat: ca. 32 %
• Beidrillen (dem Saatgut wird zur Aussaat Schneckenkorn beigemischt): ca. 10 %
Was bewirkt der strenge Winter 2009/2010 gegen Schnecken? Es wird eine allgemeine Befallsminderung geben, aber keine Lösung des Problems. Fazit: Schnecken hängen von Wasser und Umgebungsfeuchtigkeit ab. Eine reduzierte Bodenbearbeitung führt zu besseren Rückzugsmöglichkeiten für Schnecken. Schließlich sollte man berücksichtigen, dass Schnecken unterschiedliche Vorlieben für die jeweils angebauten Kulturarten haben.
Laden Sie hier die Präsentation zum Vortrag von Prof. Dr. Gerhard Lauenstein als pdf-Datei.